Verlust der Vielfalt: Wie Saatgut-Konzerne
die Macht in unseren Beeten übernehmen

Saatgut aus der eigenen Ernte zu gewinnen und weiter zu geben, gehört weltweit zu den ältesten Kulturtechniken. Traditionelles Saatgut ist besonders widerstandsfähig und von Natur aus bestens angepasst an die jeweiligen Bedingungen. Das vermeidet Missernten. Hochgezüchtetes Hybrid-Saatgut hingegen muss jedes Jahr neu gekauft werden und benötigt teure Pestizide, Dünger etc.

Durch sorgfältiges Auswählen, Tauschen und Weitergeben von Saatgut gelang es den Kleinbauern und Hausgärtnern in aller Welt über Jahrhunderte, eine breite Vielfalt an Pflanzen zu züchten, die optimal an die jeweiligen lokalen Umweltbedingungen angepasst sind. Dieser Reichtum an Varianten verhindert auf natürliche Weise totale Ernteausfälle selbst in extremen Jahren und trägt gleichzeitig zu einer ausgewogenen Ernährung bei. Gezielt werden jeweils nur die besten Körner für die nächste Saison aufbewahrt – „samenfestes“ Saatgut, das bestimmte Sorteneigenschaften von Jahr zu Jahr weiter vererbt.

Diese lange bewährte Tradition droht nun im Zuge der Technisierung und Globalisierung zu verschwinden. Denn in der modernen Landwirtschaft kommt es auf größtmögliche Effizienz an, und die liefert hochgezüchtetes Hybrid-Saatgut in Kombination mit teurer Technik und Chemie. Letztere stammt oftmals von den selben Konzernen, die auch das jeweilige Saatgut entwickelt haben.

Hybrid-Saatgut verspricht höhere Erträge, auch durch eine bessere Widerstandsfähigkeit gegen Schädlinge und Krankheiten. Grundsätzlich wäre gegen die Neuzüchtungen wenig einzuwenden, wenn damit nicht auch Nachteile und Risiken verbunden wären. Im Gegensatz zu „samenfestem“ Saatgut verlieren Hybrid-Samen bereits in der nächsten Generation ihre Ertragsfähigkeit – das Saatgut muss also jedes Jahr neu gekauft werden. Doch gerade Kleinbauern im globalen Süden können sich das teure Saatgut kaum leisten. Sie müssen sich verschulden, um die dazu passenden Pestizide und Düngemittel zu kaufen. Kommt es dann doch zu einer Missernte, ist die Existenz zerstört. Mit eigenem traditionellem Saatgut, bei dem immer irgend etwas gedeiht, wäre das nicht passiert.

Mindestens genauso problematisch ist die Tatsache, dass wenige internationale Großkonzerne das gesamte Geschäft mit Saatgut beherrschen – und zwar weltweit. Die so entstandenen Monopole lassen wenig Gutes befürchten: Sie allein können bestimmen, was wer wo anbauen kann. Das gilt übrigens nicht nur für die professionelle Landwirtschaft, sondern auch für unsere Gemüsebeete.

Den Verlust der Sortenvielfalt bekommen wir zunehmend auch als Verbraucher zu spüren. Auf den ersten Blick scheinen die Obst- und Gemüsetheken unserer Supermärkte zwar überzuquellen vor Angeboten. Doch bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass mittlerweile fast überall nur noch die selben gleichförmigen Sorten zu finden sind – frühere Unterschiede in Farbe, Aroma und Geschmack blieben auf der Strecke.

Gerade wir HobbygärtnerInnen haben es hier im wahrsten Sinn des Wortes selbst in der Hand, ein Zeichen zu setzen. Beispielsweise indem wir beim Kauf unserers Saatguts auf moderne Hybridsorten verzichten und ganz gezielt nach alten samenfesten Sorten Ausschau halten. Die gibt’s manchmal sogar kostenlos: auf Saatgut-Börsen, beim Gartennachbarn oder hier bei uns im Rahmen der Aktion GARTEN GLOBAL.

Foto: Harald Gruber / Comundialis-Stiftung